HIMMELSROMANTIK

Der Titel dieser Serie mutet romantisch an. Die Untertitel jedoch stören und unterlaufen unsere romantischen Sehnsuchtsvorstellungen. „Kleine Seelen am Abend“, „Gefangen im Eis“ oder „Tanz am Abgrund“ Hier wird verwiesen auf Gegensätze, auf Disparates, auf einerseits etwas Schönes, Verheißendes und andererseits auf etwas, vor dem man sich fürchtet, das bedrohlich wirkt.
Bereits in der eigentlichen Epoche der Romantik kippte die ersehnte Vorstellung der Harmonie von Natur und Mensch zu einer Disharmonie – zum Beispiel in der schwarzen Romantik. Und dieses widersprüchliche Grundgefühl wirkt bis in unsere Gegenwart so stark, dass man sich dem kaum entziehen kann. Kunst muss dazu Stellung nehmen! Und Birgit Borggrebe gelingt das mit ihrer Landschaftsmalerei subtil wie offensiv. Sie verletzt und vergällt ihre paradiesschönen Landschaften; Idyllen sind brüchig und gefährdet, oft zerstört. Gegenwärtige Zeiterscheinungen macht Birgit Borggrebe sichtbar sich am Beispiel lädierter Landschaften und an durch Menschen verursachten Endzeitszenarien, immer im Wechselspiel mit dem innigen Suchen nach einer besseren Welt. Die Auseinandersetzung mit alltäglichen und auch mit politischen Themen nimmt Gestalt an.
Technisch werden Inhalte zwischen Erinnerung, Befürchtung, Hoffnung und Sehnsucht durch unterschiedliche Materialien, wie Acryl und Kreide und insbesondere durch Birgit Borggrebes künstlerische Strategien zu eben diesen starken und „romantischen“ Bildern.
So findet man eine Stimmung vor, die verdichtet wird in Kombination mit den fotografischen Fragmenten und mit malerischen Spuren. Auf dem Feld der Leinwand wechseln nun tropfende, gekratzte, verletzt wirkende Farbpartien hinüber zu weichen, makellos wirkenden Lichtfarbräumen, die fast trunken machen. Die häufig schwarz oder grau angelegten Siebdruckfragmente sowie die scherenschnittartig scharfen Silhouetten, kontrastieren mit flirrenden, grenzenlos scheinenden Leuchtfarbenpartien. Dicke Farbschlieren, gestische kalligrafische Linien, überwuchernde und überbordende, auch zerrissene abgebrochene Formen bedecken den Bildraum mit reiner, gegenstandsloser Malerei. Kürzel, Ziffern, Farbrechtecke, Punkte etc. spannen das Bild so ein, dass trotz aller Gegensätzlichkeit formale Gleichgewichte und Harmonien herrschen. Daneben schaffen leuchtende „Himmelskörper“ plötzlich eine erhabene Atmosphäre. Hier wird das widersprüchliche Chaos zurückgeführt und gebändigt in eine künstlerische Ordnung.
Die Künstlerin spannt in ihren Werken einen weiten Bogen zwischen abstrakten und realistischen Elementen. Genau in diesem Spannungsfeld befindet sich der Betrachter und hat in seiner Betrachtungsweise die Möglichkeit, individuell die Themen aufzugreifen, die Ambivalenzen nachzuempfinden und neue Deutungsräume zu eröffnen.

Claudia Bormann, Galerie Müller & Petzinna